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Das Kniegelenk
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Vereinfachte Operation
Fazit
Literatur

Kinematik des Kniegelenks

Das Kniegelenk ist das größte Gelenk des menschlichen Körpers. Das Tibiofemoralgelenk (TFG) übernimmt die Bewegungen, das Patellofemoralgelenk die Umlenkung der Kräfte des M. Quadrizeps. Das Kniegelenk verfügt über 4 Freiheitsgrade:

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Flexion / Extension (1) mit AP Translation (roll back) (2)

Ab / Adduktion (3)

Axiale Rotation (4)

Die Freiheitsgrade mit den geringen Bewegungsausmassen (Ab/Adduktion, axiale Rotation, AP-Translation) korrelieren mit der Flexion und Extension. Sie sind für das sichere und vertraute Gehen von großer Bedeutung.

Flexion und Extension sind die dominierenden Bewegungsformen des Kniegelenks und die Erforschung lässt sich über 100 Jahre zurückverfolgen (Braune W 1891, Fischer O 1907, Weber W 1836, Zuppinger H 1904). Zuppinger bestätigte die Aussagen der Brüder Weber, dass das Kniegelenk zum Beginn der Flexion rollt und bei großer Flexion gleitet. Dabei beschrieb er, dass bei der Flexion die Drehachse des TFG am Anfang unterhalb des TFG liegt, sich durch den Gelenkspalt in das Zentrum der femoralen Kondylen bewegt.

Durch das Rollen kommt es zu einer AP Translation, wie Walker et.al. (1988), Nägerl et.al. (1993) und Pinskerova et.al. (2001) bestätigten. Jedoch ist Pinskerova et.al. unterschiedlicher Auffassung, wie dominierend bei diesem roll back das Rollen gegenüber dem Gleiten ist.

Die Grundlagen hierzu werden im Folgenden erörtert:

Die Kinematik eines Gelenks bzw. Getriebes wird durch die Krümmungsgeometrie der artikulierenden Gelenkflächen vorgegeben. Die Gelenkflächen des Kniegelenks sind wie folgt:


Das mediale Tibiaplateau zeigt eine konkave Krümmung der Gelenkoberfläche. Im Gegensatz dazu ist das laterale Plateau konvex gekrümmt.



Mediales TFG
Viergelenk
Laterales TFG

Sagittale Schnitte durch ein TFG (Nägerl 1993);


Das mediale TFG (linkes Bild) eines Leichenpräparats zeigt eine konkave tibiale und
eine konvexe femorale Gelenkfläche. Die roten Kreise entsprechen annähernd den Krümmungsradien der jeweiligen Gelenkflächen. Die Durchmesser der Kreise sind deutlich unterschiedlich und charakterisieren dieses Gelenk als inkongruent. Der Mittelpunkt der Kreise sind als gelbe Punkte dargestellt und liegen nicht übereinander.

Das laterale TFG (rechtes Bild) zeigt im Gegensatz zur medialen Seite eine konvexe tibiale Gelenkfläche. Die tibiale Rotationsachse liegt daher distal der Gelenkfläche. Die laterale Femurkondyle ist konvex geformt und die Achse liegt weiter posterior zur medialen Femurachse.


Da die funktionell führenden Konturen in einem weiten Bereich durch Kreise annährend beschrieben werden können (Radien: R FM , R TM ), stellt die Artikulation von Tibia und Femur strukturell eine überschlagene dimere Gelenkkette dar. Das Glied R M (= R TM - R FM ) ist der Abstand zwischen femoralem und tibialem medialen Krümmungsmittelpunkt (M FM bzw. M TM ). Die Linie R M zielt durch den Kontaktpunkt K und steht senkrecht auf den Artikulationsflächen. Sie fällt deshalb mit der Wirkungslinie der Kraftübertgung F M zusammen. F= Femur, T=Tibia

Die Artikulation von Tibia und Femur stellt strukturell eine gestreckte dimere Gelenkkette dar. Das Glied R L = R FL - R TL ) ist der Abstand zwischen femoralem und tibialem Krümmungsmittelpunkt (M FL bzw. M TL ). R L gibt wie R M die Linie der Kraftübertragung F L vor, die senkrecht im Kontaktpunkt K auf den Artikulationsflächen steht. Die senkrecht zur Gelenkoberfläche wirkenden Kräfte minimieren die Scherkräfte auf der Gelenkoberfläche.



Diese 4 Mittelpunkte sind durch die Knochen, Muskeln und Bänder fest miteinander verbunden und ergeben ein so genanntes Viergelenk (siehe Grafik oben Mitte). In der Biomechanik ist dieses Getriebegelenk beschrieben und seine „Konstruktion“ erzwingt eine eindeutige Bewegung bei der Flexion und Extension:

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Bei der Flexion bis ca. 30 Grad rollen die Gelenkflächen aufeinander.

Ab 30 Grad nimmt das Gleiten immer mehr zu und ab 60 Grad ist es die dominierende Bewegungsform.


 

Biomechanik des Viergelenks: Rollen, dann Gleiten


Die animierte Grafik zeigt vereinfacht die Bewegungen des menschlichen Kniegelenks bei der Flexion und Extension. Die 4 Achsen sind in der linken Grafik dargestellt. Am Anfang der Beugung rollen die Gelenkflächen aufeinander. Die artikulierenden Flächen sind blau/rot (laterales TFG) und schwarz/grün (mediales TFG). Bei der vergrößerten Animation (rechts) ist gut zu erkennen, daß durch die weiter posterior verlagerte Achse und Gelenkfläche des lateralen Femurkondylus das laterale TFG nach distal und posterior rollt und dabei das mediale TFG mitnimmt. Sobald diese distale Bewegung des lateralen Femurkondylus sich gegenüber der nach proximal gerichteten medialen tibialen Gelenkflächen erschöpft, beginnt das Knie zu gleiten. Der Übergang ist fließend.

Das Rollen und Gleiten findet auf der Eminentia intercondylaris der Tibia und auf den medianen Schenkeln der Femurkondylen statt.


Welche Bedeutung hat das initiale Rollen?

Das Rollen der Gelenkflächen bis zu einer Beugung von 30 Grad (Standphase des Gangzyklus) hat beim Gehen, Laufen und Rennen folgende Vorteile und Nutzen:

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Die durch Haftreibung induzierten Scherkräfte von Gleitgelenken, die bei der Bewegung aus der Ruhe und der Bewegungsumkehr beim Gehen überwinden werden müssen, sind beim Rollen vernachlässigbar.

Die Gleitreibung, die neben der Oberflächenabnutzung (abrasiver Verschleiß) auch Reibungswärme und Scherkräfte entwickelt, hat auf Grund des Rollen in dieser Phase höchster Belastung praktisch keine Bedeutung.

Bei einem rollenden Gelenk wirken die Kräfte senkrecht zur Gelenkoberfläche und minimieren dadurch die Scherkräfte.

Deswegen werden auf die Gelenkoberflächen wirkende verschleiß induzierende Kräfte (Haftreibung, Reibung, Reibungswärme, Scherkräfte) durch ein rollendes Gelenk minimiert. Als Resultat bleibt eine widerstandarme und verschleißminimierte Bewegung unter Last.

Rollen ist eine gerichtete und stabile Bewegung und verhindert unwillkürliches Schlackern und Instabilität.

Die mit dem Rollen verbundene ständige Wanderung der Kontaktfläche verteilt die belastenden Kräfte auf ein relativ großes Gebiet der Gelenkflächen.

Diese Vorteile münden in dem Nutzen,
dass das natürliche Kniegelenk die drei Funktionen Stabilität, Beweglichkeit und Haltbarkeit durch eine einmalige Kinematik verbindet.


Beim Gehen wirken auf das Kniegelenk Kräfte, die dem Dreifachen des Körpergewichts entsprechen (Thambyah 2005, Morrison 1970). Die konstruktive Lösung der Natur, nämlich durch Rollen die o.g. Verschleiß induzierenden Kräfte zu minimieren, kommt deshalb eine zentrale Bedeutung zu.


Blaue Linie = Belastung des Kniegelenks beim Gehen in N; Rote Linie = Flexion des Kniegelenks in Grad. Während der Standphase des Gehzyklus wird das Knie mit ca. dem dreifachen des Körpergewichts belastet (Thambay 2005, Morrison 1970)


Wie hoch die Belastungen des Kniegelenks bei sportlichen Aktivitäten sind, ist nicht eindeutig. Aber man darf davon ausgehen, dass die Spitzenbelastungen deutlich höher als beim Gehen sind und dies potenziert die Bedeutung der natürlichen Kinematik.

Das Gleiten der Gelenkflächen wird bei der tiefen Beuge (Hocken, Sitzen) genutzt, um eine hohe Flexion zu erlauben. Diese Bewegung belastet das Kniegelenk insgesamt wenig, da man sich seltener bückt und das Gelenk beim Sitzen wenig belastet wird.

Diese beschriebenen kinematischen Beobachtungen (Nägerl 1993) sind faszinierend. Es muss festgehalten werden, dass d ie Evolution die Vermeidung von Verschleiß im Kniegelenk nicht auf ein tribologisches Materialproblem reduziert, sondern vor allem durch einen optimierten Bewegungsmechanismus gelöst hat.

Das Viergelenk mit seinen gegenläufig gekrümmten Gelenkflächen ist auch dafür verantwortlich, dass das Gelenk nicht überstreckt werden kann. Diese Blockierung ist aber im Gegensatz zu einem „Anschlag“ nicht starr, sondern lässt einen gewissen Federmechanismus zu.


Weitere Bewegungsfreiheiten des Kniegelenks

Die Ab/Adduktion und axiale Rotation sind möglich, weil die Kontaktflächen des TFG nicht in den tiefen Bereichen der tibialen Flächen liegen, sondern an der Eminentia intercondylaris. Als Beispiel zeigen wir in der Grafik unten, dass die Natur ein weiteres Viergelenk nutzt, um eine Ab/Adduktion zu erlauben. Dies führt zu einer mit zunehmendem Kraftschluß ansteigenden Stabilität, so dass unter Belastung diese Freiheitsgrade stark eingeschränkt werden, andererseits während der Entlastung (z.B. Untersuchung) aber einfach auszuführen sind.



Frontaler Schnitt durch das TFG mit Darstellung des Viergelenks
(Adduktion und Ausgangslage)


Ähnlich verhält es sich mit der axialen Rotation. Diese ist bei Entlastung in der Beuge einfach nachweisbar. Bei der Flexion findet eine geringe axiale Innenrotation und bei der Streckung eine geringe Außenrotation statt. Unter Kraftschluß wird diese Bewegung deutlich eingeschränkt.



Sensorsystem zur Erhaltung des Kraftschluß

Unter Kraftschluß erzwingen die Gelenkoberflächen des TFG die Kinematik des Viergelenks. Ohne Kraftschluß ist die Kinematik verändert.

Den Kreuzbändern kommt dabei eine „Sensor-Aufgabe“ zu, diesen Kraftschluß zu überwachen und über das fusimotorische System den entsprechenden Spannungszustand der Muskulatur zu gewährleisten. Auch die Kollateralbänder und Menisken spielen in dieser Regulation der Gelenkspannung eine Rolle. Dieses Reflexsystem sorgt dafür, dass die Gelenkflächen durch Aktivierung des Muskeltonus immer aufeinander liegen und dadurch die Kinematik des Viergelenks weitgehend erzwungen wird.


Vereinfachte schematische Darstellung neuronaler Verschaltung der somatosensiblen (Vater-Pacinischeen Lamellenkörperchen VPK und Ruffinischen End-körperchen RE der Kreuzbänder sowie Muskelspindeln MS der Muskulatur) und somatomotorischen Fasern zu den motorischen Endplatten ME1 der Arbeitsmuskulatur (a-Motoneuron) und zu den motorischen Endplatten ME2 der Muskelspindeln ( -Motoneuron). Querschnitte durch das Rückenmark; linker Spinalnerv mit Vorder-(VW) und Hinterwurzel (HW). Pfeile geben die Richtung der Nervenleitung an. RMS l, RMS ll = Rückenmark-segmente, SG: Spinalganglion, in dem die Perikarya der somatosensiblen Fasern liegen, lN = Interneuron, das letztlich den polysynaptischen Reflexbogen ausmacht. MF = Muskelfasern der Arbeitsmuskulatur.